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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland

Lesezeit: 8 Minuten

Zuletzt bearbeitet 20.11.2024

Im Mai 2024 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den lang geplanten Vorschlag zur Überarbeitung des Arbeitszeitgesetzes präsentiert, welcher eine umfassende Neuregelung beinhaltet. Was sich seither getan hat, welche Rolle die Zeiterfassung spielt und worauf Sie in diesem Quartal achten müssen, lesen Sie hier.

Das müssen Sie jetzt beachten

Das Inkrafttreten des Gesetzes zur Arbeitszeiterfassung ist in greifbare Nähe gerückt. Sie sollten nun für Ihr Unternehmen die richtigen Handlungsschritte setzen und ein elektronisches, unkompliziertes und nutzerfreundliches System zur Arbeitszeiterfassung in Ihrem Unternehmen einführen.


Elektronisch: Die Pflicht zur Digitalisierung ist auch in puncto Arbeitszeiterfassung Ihre große Chance! Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben mit einer digitalen Zeiterfassung stets den Überblick über die Daten in ihrem Unternehmen.

Unkompliziert: Es muss nicht schwierig sein! Die Aufzeichnung der Arbeitszeiten erfolgt mittels Start-Stopp-Pause. Das bedeutet, dass Ihre Mitarbeitenden mit nur einem Klick ihre Arbeitszeiten erfassen.

Nutzerfreundlich: Arbeitszeiterfassung sollte so gestaltet sein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerne ihre Zeiten aufzeichnen. Usability ist hier das Stichwort. Denn nur wenn die Erfassung der Arbeitszeiten schnell und einfach vonstattengeht, werden auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewissenhaft ihre Zeiten eintragen.


Tipp: Die Umstellung von einem analogen auf ein digitales System ist bald nicht nur verpflichtend, sondern spart auch Kosten und Zeit, da die Fehlerquote erheblich minimiert wird! 


Damit Sie diese Anforderungen noch besser nachvollziehen können, haben wir alle Infos rund um den Gesetzesentwurf für Sie recherchiert. 


Der EuGH, das BAG und der Gesetzesentwurf

Das Arbeitsministerium reagierte mit den Gesetzesplänen im Mai auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Mit dem Urteil des BAG im September 2022 waren Arbeitgebende bereits zur vollständigen Arbeitszeiterfassung verpflichtet. Momentan wird in dem aktuellen Entwurf die politische Regulierung des „Wie" und der Ausnahmen behandelt.

Geplante Änderungen des Arbeitszeitgesetzes in Deutschland

  • Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll am jeweiligen Arbeitstag elektronisch aufgezeichnet werden. Die Aufbewahrungszeit für das Dokument beträgt mindestens zwei Jahre.
  • Die Beschäftigten selbst oder auch „ein Dritter“ können die Arbeitszeit dokumentieren. Aber letztlich sei die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Arbeitszeit verantwortlich.
  • Die Beschäftigten sollen das Recht erhalten, dass der Arbeitgebende sie über die aufgezeichneten Stunden informiert und ihnen Kopien der Angaben aushändigt.
  • Die Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein, aber auch hier müsse der Arbeitgebende sicherstellen, dass Beschäftigte die gesetzliche Höchstdauer als auch die Ruhezeiten einhalten und die Arbeitszeiten selbst dokumentieren.


Alles auf Anfang: BAG-Urteil 2022

Mit dem Urteil des BAG besteht in Deutschland seit Mitte September eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit. Als Arbeitszeit bezeichnet man den Zeitraum, in welchem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistungen erbringen bzw. die Leistungsfähigkeit den Arbeitgebenden zur Verfügung stellen.



Am 13.09.2022 veröffentlichte das Bundesarbeitsgericht eine Pressemitteilung. Dort heißt es bereits im ersten Satz: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“

Pflicht zur Zeiterfassung kam nicht überraschend

Es war keine Überraschung, dass das Urteil gefällt wurde. Schon im Mai 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) allen Mitgliedstaaten der EU die Schaffung von Regelungen zur Arbeitszeitdokumentation aufgetragen. Die Forderung einer spanischen Gewerkschaft nach einem System zur Erfassung der Arbeitszeit gab den Anstoß für das sogenannte „Stechuhr-Urteil". Durch ein objektives, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem sollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Zukunft die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfassen können. Der Gestaltungsspielraum für die Umsetzung der Regelungen blieb offen. Das deutsche Bundesministerium hatte ausreichend Zeit, klare Vorgaben zu formulieren. Die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts hat jedoch den Gesetzgeber zuvor überholt. Diese Entscheidung ist ermutigend, da sie die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessern wird.

Welche Daten müssen Unternehmen nun erfassen?

Obwohl die rechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers noch unklar sind, gibt es eine klare Entscheidung des EuGHs von 2019, die besagt, dass die Arbeitszeiterfassung objektiv, zuverlässig und zugänglich sein muss. Einige weitere Aspekte der elektronischen Aufzeichnung sind jedoch bereits festgelegt:

  • Beginn und Ende der Arbeitszeiten (Dauer der Arbeitszeit)
  • Überstunden und
  • Pausenzeiten.

Wer muss keine Arbeitszeiterfassung machen?

Grundsätzlich unterliegen sämtliche Angestellte der Zeiterfassungspflicht und sind eigenverantwortlich dazu verpflichtet, diese durchzuführen. Auch Personen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen waren bislang dazu verpflichtet, ihre Arbeitszeiten zu dokumentieren. Eine Ausnahme von dieser Pflicht gilt lediglich für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Arbeitszeiterfassung leitende Angestellte

Es gibt eine Regelung im Arbeitszeitgesetz, die besagt, dass leitende Angestellte* nicht unter die Bestimmungen des Gesetzes fallen. Das bedeutet, dass diese in der Regel keine Verpflichtung haben, ihre Arbeitszeit zu erfassen. Es gibt auch noch andere Ausnahmen von der Pflicht zur Aufzeichnung, die jedoch im aktuellen Gesetzesentwurf nur schwer verständlich und praktisch umsetzbar sind.


Eine dieser Ausnahmen betrifft Arbeitnehmende, bei denen die Arbeitszeit aufgrund besonderer Merkmale ihrer Arbeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt werden kann oder bei denen die Betroffenen ihre Arbeitszeit selbst festlegen können. In der Begründung des Gesetzesentwurfs wird hierbei an Führungskräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder andere Expertinnen/Experten gedacht. Es ist jedoch fraglich, ob alle Arbeitnehmergruppen, die in diese Kategorie fallen, auch tatsächlich gewerkschaftlich vertreten sind. Es wäre wünschenswert, hier eine klare gesetzliche Regelung zu haben.(Quelle)

*Die Bezeichnung „leitender Angestellte/r” ist kein Synonym für „Führungskraft”, sondern ein Begriff aus dem deutschen Arbeitsrecht. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat ein leitender Angestellter eine Generalvollmacht oder Prokura inne, oder ist zur selbstständigen Einstellung und Entlassung befugt oder nimmt sonstige regelmäßige Aufgaben wahr, die für das Unternehmen von besonderer Bedeutung sind.(Quelle)

Ist die Arbeitszeiterfassung für Kleinbetriebe Pflicht?

Laut jetzigem Stand können Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitenden auf die elektronische Zeiterfassung verzichten.

Zudem sind Ausnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgesehen, deren Arbeitszeit aufgrund spezieller Merkmale ihrer Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt werden kann oder von den Arbeitnehmenden selbst festgelegt werden darf. Ein Beispiel hierfür sind Forschende.


Bedeutet Arbeitszeiterfassung in Deutschland das Aus für Vertrauensarbeitszeit?

Im Internet kursieren mittlerweile Irrtümer bezüglich der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Ein solcher Irrtum bezieht sich auf das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Wie der Name schon sagt, beruht das Modell der Vertrauensarbeitszeit auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmerin beziehungsweise Arbeitnehmer. Dabei steht nicht die Arbeitszeit im Fokus, sondern das Arbeitsergebnis. Ziel dieser Arbeitsweise ist es, die Eigenverantwortung und Produktivität zu fördern. Das BAG-Urteil ändert nichts an diesem Grundsatz der Vertrauensarbeitszeit. Die Arbeitszeit kann weiterhin frei gestaltet werden, sofern Ruhepausen, Ruhezeiten und tägliche Höchstarbeitszeiten berücksichtigt werden und beide Parteien dies vereinbaren. Die gesetzlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen und das Arbeitszeitgesetz waren bereits vor der Entscheidung gültig, es gibt lediglich eine neue gesetzliche Dokumentationspflicht.

Wie sieht es mit den Überstunden aus?

Das neu verabschiedete Arbeitsgesetz schafft einen ausgeglichenen Raum, in dem sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Arbeitgebende auf Augenhöhe agieren können. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die korrekte Dokumentation und Vergütung von Überstunden. Mit einer digitalen Zeiterfassung können Überstunden und Zuschläge ohne großen Aufwand aufgezeichnet werden. Durch das individuelle Anlegen von verschiedenen Arbeitszeitmodellen sehen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber klar, welche Mitarbeitenden wie viele Überstunden leisten dürfen. Die erfassten Daten sind im System ersichtlich. Das Urteil rund um die Arbeitszeiterfassung trägt damit zu einer faireren Arbeitskultur und langfristig auch zu einer höheren Zufriedenheit bei allen Beteiligten bei.

Hat die Betriebsrätin/der Betriebsrat Mitbestimmungsrecht?

Für viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mag die Zeiterfassungspflicht mehr Arbeit als Nutzen bedeuten. Dabei es sie auch eine Chance zur Digitalisierung und Optimierung des Unternehmens gesehen werden. Durch die Digitalisierung der Zeiterfassung können Arbeitsprozesse automatisiert und optimiert werden. Dies spart nicht nur Zeit und Ressourcen, sondern ermöglicht auch eine bessere Planung von Arbeitskräften und Projekten. Die Pflicht zur Zeiterfassung bietet eine hervorragende Gelegenheit, betriebliche Prozesse zu optimieren, wenn sie gekonnt angewendet wird. Es liegt nun an Ihnen, diese Chance zu ergreifen und die Vorteile zu nutzen, die sich daraus ergeben können! 

Pflicht als Chance?

Das neu verabschiedete Arbeitsgesetz schafft einen ausgeglichenen Raum, in dem sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Arbeitgebende auf Augenhöhe agieren können. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die korrekte Dokumentation und Vergütung von Überstunden. Mit einer digitalen Zeiterfassung können Überstunden und Zuschläge ohne großen Aufwand aufgezeichnet werden. Durch das individuelle Anlegen von verschiedenen Arbeitszeitmodellen sehen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber klar, welche Mitarbeitenden wie viele Überstunden leisten dürfen. Die erfassten Daten sind im System ersichtlich. Das Urteil rund um die Arbeitszeiterfassung trägt damit zu einer faireren Arbeitskultur und langfristig auch zu einer höheren Zufriedenheit bei allen Beteiligten bei.



Dieser Blogbeitrag wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, stellt jedoch keine rechtsverbindliche Auskunft dar.

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Interessante Infos rund um die aktuelle Gesetzeslage in Deutschland mit Rechtsexpertin Britta Redmann

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